Interview mit Lisa Freund, Mitgründerin von Elysium.digital

 

Wer bist du?

Eine schwer zu beantwortende Frage. Nur der Wandel ist beständig. 1951 bin ich geboren in der Nähe von Gießen in Hessen. In Berlin hab ich Politologie und Germanistik studiert, erstes und zweites Staatsexamen gemacht, dann als Lehrerin in der Erwachsenenbildung in den Abiturlehrgängen gearbeitet. Es war eine gute Zeit. Jetzt geht es um andere Aufgaben. Seit 1990 beschäftige ich mich mit Sterben und Tod, begleite ehrenamtlich Menschen in unterschiedlichen Einrichtungen am Lebensende, kümmere mich um Angehörige, mach auch mal ein Abschiedsritual und berate Menschen zu Sterben, Tod und Trauer. Ich wünsche mir, dass wir unterstützt von Fachkräften, das ist heute möglich, seit es die allgemeine und spezielle ambulante, palliative Versorgung gibt, wieder liebevoll versorgt, zuhause das Lebensende verbringen können.

Gegenwärtig schreibe ich viel, auch Bücher, gebe Seminare, basierend auf einem selbst entwickelten Curriculum zu Sterben, Tod und Trauer. Karriere ist mir nicht wichtig. Ich freue mich über Erfolge, lasse sie auch gerne wieder los. Das, was ich tue, tue ich mit dem Herzen und aus Überzeugung. Ethisches Denken und Handeln, mein spiritueller Weg bedeuten mir viel. In andere Menschen kann ich mich gut einfühlen.

Ich bin Buddhistin, eine westliche, der Aufklärung verbundene, wissenschaftsorientierte, sozial engagierte und Mitglied der DBU (deutschen Buddhistischen Union).

Gute Freunde sind mir wichtig. Ich gehe meinen eigenen Weg, möchte etwas bewegen in der Welt, bin eine Optimistin, arbeite gern und viel. Zeit nehme ich mir auch für Meditation, Innenschau und Rückzug. Ich habe eine Vision, glaube an die Kontinuität des Bewusstseins, auch über dieses Leben hinaus, bin davon überzeugt, jeder Mensch, der danach sucht, findet den Weg in dieses Potential auf seine persönliche Weise.

Ich reise gerne, liebe es, mit einem Hausboot am Schilfgürtel eines Mecklenburgischen Sees zu liegen, die Enten kommen, die Sonne geht unter, der Mond geht auf. Ich kann baden, wann immer ich will. Eine kleine Datscha an einem See südlich von Berlin ist mein Kraftplatz.

Hast du ein Lebensmotto?

Jedes Ende ist ein neuer Anfang

Wo und wie lebst du?

Ich lebe in einer ruhigen Wohnung im Süden Berlins, nahe dem Schlachtensee. Im Sommer kann ich im Garten sein. Gerne gehe ich im See schwimmen, mag Fahrradfahren. Kashi, meine kleine Katze, eine Freigängerin, ist eine wundervolle, kuschelweiche Gefährtin. In Charlottenburg ist mein Kiez. Dort treffe ich FreundInnen beim Cappuccino. Ich fahre gerne Auto. Kinder mag ich sehr. Ich liebe Nähe zu Menschen und Innigkeit, aber auch Rückzug und Einsamkeit. Mir wird nie langweilig. Auf meinem Schreibtisch türmen sich Papiere. Hausarbeit ist nicht mein Ding. Mich inspiriert und erfreut die Arbeit mit Gruppen. Ich bin oft unterwegs zu Vorträgen und Seminaren und das mag ich.

Wie stellst du dir das Elysium vor? Liegt es am Ende der Welt oder mittendrin?

Ich glaube nicht, dass das Eylsium im äußersten Westen des Okeanos liegt, wie die alten Griechen. Für mich ist es ein innerer Ort. Das Elysium ist für mich ein Symbol für das Aufgehen in Freude und Glückseligkeit. Im Elysium bin ich mit dem unermesslichen Potenzial von allem verbunden. Es ist für mich ein Symbol für das, was ich eigentlich bin, im Leben wie im Tod. Alles ist im Fluss. In der Literatur und der Philosophie ist es eine Art geistiges Schlaraffenland, das in jedem Jahrhundert anders daherkommt und nicht nur die Dichter begeistert hat. Wir stellen es vor auf der digitalen Ebene – eine spannende, andere Wirklichkeit mit neuen Möglichkeiten, fern und nah zugleich.

Sag, was für dich Spiritualität ist.

Spiritualität ist für mich unabhängig von Religion, kann aber auch eine religiöse Orientierung sein. Mir geht es um den persönlichen Zugang, zu dem offenen, weiten Raum, der wie ein Himmel ohne Wolken ist, der immer da ist, strahlend, wertfrei, voller Liebe und Mitgefühl. Es ist der Zugang zum Überpersönlichen, einem Feld unermesslichen Potenzials und grenzenloser Liebe. Der Zugang zu den spirituellen Kraftquellen ist immer ganz individuell. Ich habe meinen Weg gefunden.

Warum interessierst du dich für Sterben und Tod?

Der Tod fasziniert mich schon lange. Er ist ein Mysterium, das nie ganz erschlossen werden kann. Immer wieder erfahre ich neue Facetten. Es ist auch der Blick in das eigene Sterben dabei. Das macht mich demütig. In der Begleitung eines Menschen bis zum Tod, öffnet sich mein Herz, ich darf mit ihm gehen, ein Stück mit ihm wachsen, dann wieder loslassen. Stets lerne ich dazu, gebe Erwartungen auf, die Voraussetzung, um unbefangen mit dem, was geschieht, zu sein. Ich nehme die Herausforderungen, die auf dem Weg liegen, an, was oft unbequem ist, verzichte auf Masken, bin dankbar dafür, dass ich noch ein bisschen leben darf. Ganz einfach: Es geht mir darum zu wachsen, reifer zu werden und ein bisschen weiser.

Das Thema Tod und Sterben ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Muss man da noch eine neue Plattform gründen?

… wir müssen nicht, doch wir haben Spaß dran, wollen den Horizont weiten, den Tod ins Leben holen und den unsterblichen Raum mitdenken, bei dem, was wir tun. Wir bieten eine Auswahl mit Herz, Verstand und Pfiff, wollen hilfreich für Menschen sein, die durch die Konfrontation mit dem Tod in eine Lebenskrise geraten, zum Nachdenken anregen, Impulse geben. Außerdem fangen wir alles von hinten an, gehen von Omega nach Alpha, d.h. unser Alphabet beginnt mit Z: Immer wenn etwas endet, gibt es auch den Zauber des Anfangs, den Keim des Neubeginns. Wir finden, das ist eine eine gute Möglichkeit, umzudenken, Blickwinkel und Gewohnheiten zu ändern. Ist alles ein bisschen unbequem, auch für uns …

Was ist das Besondere an Elysium digital?

Wir sind überzeugt von der Kontinuität des Bewusstseins, ohne uns festzulegen auf ein Erklärungsmodell. Von dort aus sehen wir den Tod als eine Wandlung. Es gibt eine Zukunft über den Tod hinaus. Das ist das eine. Konkrete Hilfestellungen, das ist das andere. Beides geht zusammen. Die Wertschätzung des Menschen, der stirbt, und seiner Angehörigen, eine Begleitung, die an die Hand nimmt – einfühlsam und sanft, eingebunden in palliative Netzwerke und geborgen im Kreise der Freunde, der Familie, Nachbarn, das finde ich wertvoll. Wir wollen dazu ermutigen, mehr miteinander und füreinander da zu sein, raus aus der Anonymität zu gehen, wieder Freude an der Mitmenschlichkeit zu haben, nicht alles den Profis zu überlassen. Es geht aber auch nicht ohne professionelle Hilfe, es geht um das richtige Maß. Das ist bei jedem anders. Wir sind im Internet ein Mosaiksteinchen, das Informationen und Anregungen anbietet, aus dem jeder sein persönliches Puzzle basteln kann. Wir sind unkonventionell, vielleicht auch mal unbequem und wir haben Humor. Für uns ist es bereichernd, den Tod wieder ins Leben zu holen, in der Begegnung mit ihm zu wachsen. Wir zeigen Möglichkeiten auf, wie das gehen kann und wir kooperieren, z.B. mit anderen Netzwerken.

Welches eurer Themen ist dein Favorit?

Alles, worüber ich nachdenken und wovon ich lernen kann, ist mir wichtig, sei es im Infoteil, in Geschichten oder anderswo bei uns. Gerade sind es die Elysien, das Tibetische Totenbuch und die Beiträge aus der Quantenphysik über das Sterben. Besonders interessiert mich die Ablösung des Geistes aus dem Körper und wie wir dazu beitragen können, dass dies in Geborgenheit, Frieden, mit liebevoller Fürsorge geschieht. Ich wünsche mir eine Synthese zwischen Wissenschaft und Spiritualität.

Was soll auf deinem Grabstein stehen oder gibt es keinen, hinterlässt du was?

Ich wünsche mir eine Baumbestattung oder ein Urnengrab mit Stein. Am Baum oder auf dem Grabstein unter meinem Namen soll auf Augenhöhe ein Spiegel angebracht werden mit einem Schild, das die Aufschrift trägt: Schau in diesen Spiegel und vergiss nicht zu lächeln.

Wie stellst du dir die User deiner Plattform vor?

… neugierig, aufgeschlossen, mit Freude am Stöbern in den Texten, medialen Angeboten, nachdenklich, humorvoll. Es sind Menschen, die sich die Hilfe holen, die sie brauchen, quer durch alle Generationen, Berufsgruppen und Weltanschauungen. Es sind Menschen, die bei uns suchen, was sie tröstet, stützt in Krisenzeiten, die sich informieren wollen und sich Anregungen holen fürs Leben mit der Vergänglichkeit. Es sind Menschen, die eventuell über den Tod hinaus denken. Vielleicht gibt es Menschen, die uns Feedback geben oder Beiträge schicken. Darüber freue ich mich.

Formuliere zum Abschluss einen Satz, der dir wichtig ist.

Vergänglichkeit ist ein Prinzip der Harmonie. (Pema Chödrön)